Kein Kies zum Kurven Kratzen

Nachbericht

Wann: 22. und 25.September 2010
Wo: Haus der Begegnung (Innsbruck) und Kufstein

Der Abend zeigte zuerst die „beispielhafte“ Geschichte einer Familie, die unvermutet in die Armutsspirale gerät: Kredit – Arbeitslosigkeit – Scheidung – soziale Isolation. Zentrale Themen der Armutsgefährdung kamen nicht nur zur Sprache, sie wurden vielmehr (auf)gezeigt, um anschließend mit dem Publikum theatral diskutiert zu werden.
Engagiert wurden Rollen des Stückes von ZuschauerInnen ausgetauscht (wodurch sie zu ZuschauspielerInnen wurden), um die Situation der Familie Schmölzer zu verbessern. So fanden sich PolitikerInnen, SozialarbeiterInnen, AMS-Angestellte und andere am Thema Interessierte auf der Bühne und im Stück wieder, um die Situation Betroffener am eigenen Leib zu erfahren. Die Vorschläge, die zur Verbesserung eingebracht wurden, reichten von der Begleitung durch Sozialarbeiter oder Freiwillige bei Behördengängen über die bessere Ausbildung von Lehrpersonen und Beamten bis zur bedingungslosen Grundeinkommen.
In Innsbruck fand im Anschluss an die Aufführung eine Podiumsdiskussion mit LR Gerhard Reheis, Christine Regensburger (Verein Wams, Spak), Silvia "Finix" Gangl (Schauspielerin), Caritas Direktor Georg Schhärmer und Lothar Müller (AK-Unterstützungsfond) statt.

Das Stück tourt noch durch ganz Österreich bis es am 29. November 2010 im Parlament alle Vorschläge, die bei den Aufführungen geesammelt wurden, präsentieren wird.
„Eine gelungene Verbindung von engagiert-partizipativem Theater, fundierter gesellschaftspolitischer Kritik und zielführenden Aktionen, komplex und konkret zugleich.“ Mit dieser Begründung hat sich die Jury der „SozialMarie“ entschieden, den ersten Preis für innovative Sozialprojekte 2010 an InterACT für das legislative Forumtheater-Projekt „Kein Kies zum Kurven Kratzen – neuer Armut entgegenwirken“ zu vergeben.

Einstiege (dargestellte Vorschläge zur Veränderung der Situation):

Szene Schule:
1. Die Lehrperson erkennt ihre eigene Ratlosigkeit und fragt nach, was los ist. Der Rat, zur Schulsozialarbeiterin zu gehen führt zur Reaktion, dass es in Tirol zwar SchulsozialarbeiterInnen gibt, aber viel zu wenige.

2. Als Schülerin kann man mit LehrerInnen nicht so gut reden, weil sie Noten geben, weshalb sie darum bittet mit einem/einer Sozialarbeiter/in zu reden. Die Schülerin hat auch Angst davor, dass es der Direktor und die ganze Schule erfährt. Der Lehrer schlägt den Schulpsychologen vor. Sie will jemanden von Außen. Dem Lehrer ist das suspekt. Reaktionen: Die Irritation und Überforderung des Lehrers ist laut Publikumsmeinung ein authentisches Verhalten.

Szene Sozialamt:
1. Einsteigerin möchte Sozialarbeiterin ersetzten, weil sie glaubt, dass es ein Systemproblem ist, das der Einzelne nicht ändern kann. Sie möchte eine Utopie versuchen, steigt dann aber doch als Frau Schmölzer ein. Sie hätte gerne ein Infoblatt über Sozialhilfe. Die Sozialarbeiterin verweist auf die Website und fragt, wovon sie bisher gelebt habe. Elfriede sagt, von Arbeitslosengeld, das aber gesperrt wurde, weil sie den fünften Kurs verweigert hat. Die Sozialarbeiterin ist pikiert, denn man muss arbeitswillig sein, um Sozialhilfe beziehen zu können. Aufgrund der langen Diskussion entsteht Ungeduld bei den anderen Wartenden am Sozialamt und die Situation eskaliert. Reaktionen: Wichtig, was Klientin gefühlsmäßig vermittelt. Politische Vorgaben sind trotzdem da, da hilft oft auch das Persönliche nichts. Notwendig: Sozialarbeiter besser schulen und Achtung und Wertschätzung erhalten.

2. Einstieg nach der Eskalation. Elfriede erklärt, dass sie sich nicht auskennt, fragt, ob es anderen auch so geht – erntet nur Aggression – kapituliert. Reaktionen Es gibt keine Solidarität in so einer Situation, weil Menschen emotional sehr belastet sind. Frage: Warum nehmen Leute Unterlagen nicht mit, wenn auf der Homepage steht, was sie mitnehmen sollen? Es steht nicht alles oben und das Internet ist nicht allen zugänglich. (Scham im Internet-Cafe zu recherchieren, sinnverstehendes Lesen, kein Anschluss zuhause,...)

Bankszene:
1. Herbert sagt, dass er Privatkonkurs angemeldet hat, weil die Situation sich sehr verschlimmert hat. Der Bankbeamte meint, dann müsse man sich gerichtlich einigen, denn er habe die Scheidung von seiner Frau nicht bekannt gegeben. Herbert hat sich Unterstützung von der Schuldnerberatung geholt. Reaktionen: Kreditnehmer muss die Scheidung an Kreditgeber bekannt gegeben, sonst kommt die Frau nicht aus der Bürgschaft. Ein Privatkonkurs sehr aufreibend und man braucht eine entsprechende Einkommenssituation.

AMS-Szene:
1. Elfriede wehrt sich dagegen, einen Job anzunehmen, von dem sie nicht leben kann. Bietet an, was sie alles kann. AMS-Frau bleibt stur und möchte sie zu einem Kurs schicken. Elfriede wehrt sich vehement. Reaktionen: Klare Fronten. Einerseits „Ich will arbeiten“, andererseits versteht AMS-Frau Klientin nicht. Man erwartet zumindest Respekt und Freundlichkeit. AMS hat große Personalprobleme, die Angestellten sind oft überfordert.

Insgesamt eine sehr kraftvolle, starke Aufführung mit intensiver Beteiligung und guten Rückmeldungen, offener Diskussion.

österreichweite Termine & Informationen:
http://www.interact-online.org

Der Abend in Innsbruck wurde veranstaltet von:

gefördert von: