Wo bin ich denn? - Dschungelbuch

Es war einmal eine Flüchtlingsheimleiterin Cornelia Saxer aus Innsbruck.

Sie fragte im Frühling 2008, ob nicht mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Heime in der Trientlgasse 2 ein Theaterprojekt starten könnte. Spontan stimmte ich zu. Eingeladen waren alle von jung bis alt.


Nach einigem Überlegen erweiterte ich den Titel um „Dschungelbuch“, weil ich mir vorstellen konnte, dass die Kindern gerne in die Tierrollen schlüpfen. Viele der Kinder zeigten ja bereits bei den ersten Treffen ihre Freude am „verwandeln“. Wir hatten auch bald eine sehr einfache Textvorlage mit der wir arbeiten konnten. Als besonderer Hit erwiesen sich die Gesichtsschminkfarben. Damit entstand eine große Nähe zu den Kindern, weil wir ja sowohl die Gesichter als auch die Hände und Arme schminken durften. Bei diesen Treffen waren immer wieder erwachsene Frauen aus meinem Freundeskreis dabei, die halfen.

In der ersten Ferienwoche gab es dann die Möglichkeit in drei Workshops am Montag, Dienstag und Mittwoch das Stück zu vertiefen. Dabei halfen mir Birgit Larcher und ihre beiden Söhne Adrian (6 Jahre und 10 Monate und im Herbst Schulkind und Timo 14 Monate). Durch die beiden Kinder – Adrian spielte ein Wolfskind im Rudel und Timo begleitete mit seinem Plaudern und krabbelte immer wieder in die Szene – entstanden einige Kontakte zu den Müttern der Theaterkinder.

Bei der Premiere am Donnerstag (10. Juli), also am Tag nach den Workshops waren dann Freunde und auch ein paar Eltern im Publikum. Es gab viel Applaus und die Kinder hatte ein paar Tage in ihrer alltäglichen Umgebung etwas ganz Besonderes erlebt.

Damit ist für mich das Projekt gelungen. Wir verdanken es Tobias, einem angehenden Medienpädagogen und Lisa, einer Pädagogikstudentin, dass die Premiere so gut dokumentiert und auch die Backstage-Arbeit so gut funktioniert hat. Bei der Premiere gab es zusätzliche Kontakte von Zuseherinnen mit Müttern aus dem Flüchtlingsheim. Auch Sandra, eine Pädagogin, die schon oft mit mir Theaterpädagogische Elternbildung angeboten hat, war im Publikum und spontan zur Übernahme der Rolle von Mowglis Mutter im Dorf bereit.

Die Gespräche und der Kontakt zwischen den unterschiedlichen Menschen im Publikum ist ein „Nebeneffekt“ des Theaterprojektes, der von Beginn an geplant und gewünscht war.

Ich hoffe, dass wir mit der Kindertheatergruppe „UBUNTU“ im Herbst ein paar Bühnen in Innsbruck bespielen können. Meine Nichte Nora, eine angehende Grafikerin, hat bereits ein Bühnenbild entworfen, sodass das Stück immer wieder neue Facetten bekommt. Ich hoffe, wir schaffen es auch noch ein paar einfache Kostümteile für die Kinder zu bekommen. Mit David, einem „gelernten“ Radiosprecher werden wir im Herbst für die Erzählerrolle auch einen ausgebildeten Sprecher einsetzen können. Es wird immer spannend sein, wie viele „einheimische“ Kinder und Erwachsene in das Stück integriert werden. Ziel ist es so viele Menschen in Kontakt zu bringen, dass wir dann für das Projekt besondere Aufmerksamkeit – auch in den Medien und in der politischen Öffentlichkeit – bekommen. Wir wollen zeigen, dass die Frage „Wo bin ich denn?“ für alle immer wieder interessant ist.

Für mich selbst habe ich im Rahmen dieses Projektes sehr viel über die Arbeit mit AsylwerberInnen und ihre Kinder gelernt. Es hat sich vieles bestätigt, was mir Freunde wie Wolfgang in Wien, die schon Jahre in der Flüchtlingsarbeit sind, im Vorfeld erzählt haben. Ich habe eine tolle Unterstützung durch Birgit bei den Workshops bekommen. Ich hoffe, dass ich im Herbst mit einem noch größeren „Backstage-Team“ weiterarbeiten kann. Es ist sehr hilfreich, wenn zwei oder drei Maskenbildnerinnen zusammenarbeiten. Hier hat uns aber auch eines der größeren Mädchen, nämlich Florentina, die die Wolfsmama spielt, sehr geholfen. Es ist sehr wichtig, dass auch interessierte und wertschätzende Menschen im Publikum sitzen. Die Kinder genießen den Applaus wie alle anderen Schauspielerinnen und Schauspieler auf der ganzen Welt.

Ich freue mich auf jeden Fall auf die Fortsetzung des Projektes im Herbst, auch wenn es schön wäre, wenn es keine HeimbewohnerInnen mehr gäbe, weil alle in der Zwischenzeit in Österreich Heimat gefunden haben. Dann setze ich das Projekt mit Migrantenkindern fort. Ich werde schon sehen, wo ich sie erreichen kann. Aber…das ist eine andere Geschichte!

Die Premiere hat am Donnerstag 10.07.2008 im Flüchtlingsheim Reichenau, Innsbruck mit großem Erfolg stattgefunden. Neben den Eltern der Kinder haben auch noch einige Gäste und natürlich die beiden Leiterinnen der Heime Cornelia und Lucija mit den Kindern gefeiert. Mehr als die Hälfte der Kinder der beiden Häuser waren in das Projekt integriert. Der jüngste Darsteller war Nue, der den Mowgli spielte und der älteste war Jetmir, der Schakal. Dazwischen tummelten sich viele Wolfskinder (Adrian, Ariana, Madina und Marina und viele mehr), Nevin als Balu, der Bär, Kristian als Schir Kahn und natürlich Florentina als Wolfmutter und Karine als Wolfsvater. Hedi gab einen tollen Leitwolf Akela und schlüpfte auch noch in die Rolle eines der Affen, die Mowgli in den Turm in der verlassenen Stadt werfen. Die zahlreichen anderen Tiere wie der Adler Tschil, der Panther Baghira, die Affen und die Schlange Kaa und der Adler Tschil wurden ebenfalls von den Kindern dargestellt.

Annemarie Sieß